Magnetischer Nordpol in Bewegung: Wissenschaftler machen noch nie da gewesene Beobachtungen
Die Auswirkungen der Wanderung des Magnetfelds der Erde
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LIFESTYLE Physik
Der magnetische Nordpol der Erde verschiebt sich. Auch wenn dieser langsame Prozess bereits seit Jahrhunderten andauert, zeigen neueste Beobachtungen eine Veränderung in der Geschwindigkeit der Bewegung. Aber warum passiert das und welche Auswirkungen hat dies auf unseren Planeten?
Von der Funktionsweise unserer Smartphones bis hin zur Navigation von Flugzeugen, die Polverschiebung hat überraschende Auswirkungen auf unser tägliches Leben.
Neugierig? Sehen Sie sich diese Galerie an, um mehr über das wandernde Magnetfeld der Erde und seine überraschenden Folgen zu erfahren.
Was ist das Magnetfeld der Erde?
Die Erde ist ein gigantischer, kugelförmiger Magnet. Sie ist von einem Magnetfeld umgeben, das sich mit der Zeit und im Raum verändert. Dieses Feld stammt aus verschiedenen Quellen von innerhalb und außerhalb der Erde.
Wie ein Stabmagnet
Es ist dem von einem Stabmagneten erzeugten Feld sehr ähnlich, nur dass es sich im Zentrum der Erde befindet. Magnetische Felder werden durch sich bewegende elektrische Ladungen erzeugt. In einem Stabmagneten sind diese Ladungen Elektronen, die in Atomen kreisen.
Elemente im Kern
Im Erdinneren sind diese beweglichen Ladungen Elektronen, die von zirkulierenden Strömen aus geschmolzenem Eisen getragen werden.
Pionier
Seit Jahrhunderten untersuchen Wissenschaftler den Magnetismus der Erde. Ein Pionier in diesem Bereich war William Gilbert, ein englischer Physiker aus dem 17. Jahrhundert. Seine Experimente und die Prägung der Begriffe "elektrische Kraft" und "magnetischer Pol" legten die Basis für den heutigen Strom.
Riesiger Magnet
Gilberts Buch "De Magnete" aus dem Jahr 1600 revolutionierte das Verständnis von Magnetismus. Nach ausführlicher Forschung schlug er vor, dass sich die Erde wie ein riesiger Stabmagnet verhält, was das Verhalten der Kompassnadel und die magnetischen Unterschiede an unterschiedlichen Orten erklärte.
Ergebnisse
Er erklärte den Magnetismus der Erde mit einem Modell: ein kugelförmiger Magnet namens Terrella (kleine Erde). Magnetische Nadeln, die auf Terrella platziert wurden, zeigten in Richtung Nordpol (hier markiert als Punkt A). Selbst bei einer unebenen Oberfläche wie bei Punkt O zeigen die Nadeln immer noch nach Norden.
Alte Ausrüstung
Im frühen 18. Jahrhundert untersuchten Wissenschaftler den Magnetismus der Erde mit Inklinatorien. Diese gaben den Winkel der Magnetlinien der Erde an jedem Ort an. Auf dem Äquator richtet sich die Nadel horizontal aus, an den Polen vertikal. Inklinatorien kamen bei den Expeditionen der Wissenschaftler ab dem 18. Jahrhundert zum Einsatz.
Entdeckung
Nach einigen Arktisexpeditionen entdeckte der schottische Rear-Admiral Sir James Clark Ross 1831 den magnetischen Nordpol in Nordkanada.
Technische Fortschritte
Ein tieferes Verständnis der magnetischen Pole der Erde führte zu Fortschritten in der Navigation. Der "True Course Finder" automatisierte beispielsweise die Berechnungen für Seefahrer und machte komplexe Berechnungsformeln überflüssig. Vor dem Aufkommen dieser Geräte konnten Seefahrer nur den magnetischen Norden mit einem Kompass bestimmen und mussten den geografischen Norden durch zusätzliche Rechnungen bestimmen.
In Bewegung
Wissenschaftler verfolgen den magnetischen Nordpol seit Jahrhunderten. Im Gegensatz zum geografischen Nordpol bewegt sich der magnetische Nordpol ständig. Zwischen 1600 und 1900 hat er sich zwischen 10 und 15 Kilometern pro Jahr bewegt.
In Richtung Sibirien
In den 1990ern bewegte er sich in den Atlantischen Ozean, bevor er in Richtung Sibirien Geschwindigkeit aufnahm. Bis in die frühen 2000er hatte sich die Geschwindigkeit auf etwa 54 km pro Jahr erhöht.
In Richtung Sibirien
2005 wollten der kanadische Geophysiker Larry Newitt und der französische Geologe Jean-Jacques Orgeval bei einer Expedition in die kanadische Arktis das Magnetfeld der Erde genau bestimmen. Sie bestätigten, dass sich der Pol in internationale Gewässer in Richtung Sibirien bewegt hatte.
World Magnetic Model
Das World Magnetic Model (WMM), das gemeinsam vom US-amerikanischen National Geophysical Data Center und dem British Geological Survey (BGS) entwickelt wurde, ist ein umfassendes Modell des Magnetfelds der Erde, das zur Vorhersage des Ortes des Pols genutzt wird. Das WMM wird alle fünf Jahre aktualisiert, eine neue Version kommt zum 1. Januar heraus.
Ausbremsen
Auch wenn der Pol sich weiter in Richtung Russland bewegt, hat sich die Bewegung auf etwa 35 Kilometer pro Jahr in den letzten fünf Jahren verlangsamt. Laut den Wissenschaftlern ist diese starke Ausbremsung noch nie da gewesen.
Kanada vs. Russland
Ein Team unter der Leitung von Professor Phil Livermore von der Universität in Leeds hat eine mögliche Erklärung für das kürzliche Verhalten des magnetischen Nordpols geliefert. Er schlägt vor, dass der Pol in einem Tauziehen zwischen zwei konkurrierenden magnetischen Kräften gefangen ist, einer unter Kanada und einer anderen unter Sibirien.
Kanada vs. Russland
Livermore legt nahe, dass sich die magnetische Kraft in Kanada gestreckt und getrennt hat, was möglicherweise die sibirische Kraft gestärkt hat. Diese Veränderung im Gleichgewicht könnte die Bewegung des Pols in Richtung Russland erklären.
Was verursacht die Bewegung?
Der äußere Kern der Erde besteht hauptsächlich aus flüssigem Eisen. Durch den Austritt von Hitze aus dem Kern bewegt sich dieses Eisen und erzeugt das Magnetfeld der Erde.
Brodeln
Unvorhersehbare Veränderungen im Brodeln des flüssigen Eisens etwa 3.200 Kilometer unter der Erdoberfläche beeinflussen das Magnetfeld der Erde und die Position der magnetischen Pole.
Heißer Tee
William Brown, der an der Erstellung des Modells des Erdmagnetfelds bei der British Geological Survey arbeitet, erklärte: "Das ist wie eine riesige Tasse Tee. Es ist eine heiße Flüssigkeit mit einer Viskosität wie Wasser."
Auswirkungen auf den Alltag
Die Bewegung des magnetischen Nordpols ist wichtig für eine genaue Navigation. Die Daten, die über seine Bewegung gesammelt werden, werden zur Kalibrierung von Kompassen und anderen Navigationsgeräten genutzt.
GPS und Smartphones
Dies spielt bei alltäglichen GPS-Geräten eine Rolle inklusive der Kompassfunktion unserer Smartphones.
Militärische Navigation
Auch das Militär ist auf das World Magnetic Model zur genauen Navigation von U-Booten angewiesen, besonders in herausfordernden Umgebungen wie der Arktis.
Flughäfen
Start- und Landebahnen von Flughäfen werden nach ihrer Ausrichtung zum magnetischen Nordpol benannt. Da sich das Magnetfeld der Erde verändert, müssen diese Zahlen gelegentlich angepasst werden. So wurde beispielsweise die Bezeichnung für die Nordbahn am Flughafen Berlin Brandenburg im Oktober 2024 von 25R/07L zu 24R/06L geändert.
Dauerhafte Überwachung
Auch wenn eine genaue Vorhersage der Bewegung nicht möglich ist, beobachtet die BGS weiterhin das Magnetfeld der Erde. Um das Feld an unterschiedlichen Orten zu messen, kommt ein Netz aus Bodenstationen und Satelliten zum Einsatz.
Polsprung?
Da bekannt ist, dass das flüssige Eisen im Inneren der Erde ständig in Bewegung ist und sich die magnetischen Pole fortwährend verschieben, könnte es theoretisch möglich sein, dass sich die Pole vollständig umkehren – also Norden zu Süden wird und umgekehrt?
Polsprung
Polsprünge sind zwar nicht häufig, jedoch in der Geschichte der Erde bereits vorgekommen.
Polsprung
Die letzte vollständige Umkehrung der Pole fand vor 780.000 Jahren statt. Eine zeitweise Umkehr erfolgte vor 41.000 Jahren, dauerte jedoch nur 250 Jahre an, bevor die Pole an ihre heutigen Orte zurückkehrten.
Kein Grund zur Sorge
Eine Umkehr der magnetischen Pole mag zwar beunruhigend klingen, diese erfolgt jedoch über einen langen Zeitraum und bedeutet keine unmittelbare Bedrohung für das Leben auf der Erde. Wissenschaftler haben bestätigt, dass diese Ereignisse keine bedeutenden kurzfristigen Auswirkungen für die Natur bedeuten.
Quellen: (The Times) (USA Today) (Britannica) (National Centers for Environmental Information)
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